Praxistipp
- Wissen meine Mitarbeitenden noch, was vermittelt wurde?
- Ist das vermittelte Wissen noch relevant/richtig?
- Gibt es Hinweise darauf, dass wichtiges Wissen nicht mehr angewendet wird?
Als erstes muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass auf der Ebene von Gesetzen und Verordnungen keine Wiederholungspflicht mit konkreten Zeitangaben zu finden ist. Die „jährliche Wiederholungsunterweisung“ wie Sie beispielsweise in Deutschland gefordert wird, existiert in der Schweiz nicht.
Hinweise bezüglich einer Wiederholungspflicht findet man in der schweizerischen Gesetzgebung. Die Forderungen sind allerdings weniger konkret. Der Artikel 82 aus dem Unfallversicherungsgesetz (UVG) stellt folgende Forderungen an den Arbeitgeber:
1 Der Arbeitgeber ist verpflichtet, zur Verhütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den gegebenen Verhältnissen angemessen sind.
Die Verordnung über die Unfallverhütung fordert, dass ein Arbeitnehmer zu seiner Arbeit anzuleiten ist und über mögliche Gefahren informiert werden muss. Arbeitnehmer, welche Arbeiten mit besonderen Gefahren ausführen, müssen ausgebildet werden. Die EKAS-Richtlinie 6512 Arbeitsmittel präzisiert diese Forderung weiter:
Eine gründliche Instruktion ist nötig, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zum ersten Mal ein bestimmtes Arbeitsmittel benützen. Die Instruktion muss sich auf die Bedienungs- und Betriebsanleitung des Herstellers stützen und in angemessenen Zeitabständen wiederholt werden. […]
Weil die Ausbildung der Instruktion übergeordnet ist, gilt die Forderung nach „Wiederholung in angemessenen Zeitabständen“ ebenso für Ausbildungen. Dies führt uns zu der ersten wichtigen Frage:
Diese Frage wird vom Gesetzgeber bewusst nicht konkret beantwortet. Somit wird die Verantwortung direkt dem Arbeitgeber übertragen. Für die Beantwortung durch den Arbeitgeber sollten insbesondere zwei Aspekte beachtet werden:
Der Mensch vergisst.
Wissen verblasst mit der Zeit und je länger eine Instruktion oder Ausbildung zurück liegt, umso wahrscheinlicher werden einzelne Teile davon vergessen. Je seltener ein Mensch einmal erworbenes Wissen in seinem Arbeitsalltag braucht oder anwendet, umso eher wird er auch Teile davon vergessen.
Die globalisierte Welt entwickelt sich schnell.
Die getroffenen Massnahmen eines Arbeitgebers müssen dem Stand der Technik entsprechen. Die Maschinen selbst, wie auch der richtige Umgang mit Ihnen entwickeln sich stetig. Das Wissen der Mitarbeiter muss aktualisiert werden, um diesen Veränderungen Rechnung zu tragen.
Der Arbeitgeber ist zudem verpflichtet die Arbeitssicherheit zu überwachen. Er muss kontrollieren, ob seine Anweisungen eingehalten und das Wissen aus Instruktionen und Ausbildungen richtig angewendet werden. Wird beispielsweise im Rahmen eines Audits, bei einem Beinahe-Ereignis oder bei anderer Gelegenheit festgestellt, dass dies nicht der Fall ist, muss eine Instruktion oder Ausbildung in geeigneter Form wiederholt werden.
Die rechts abgebildete IPAF PAL-Card ist ein konkretes Beispiel für einen Ausbildungsnachweis. Wir sprechen hier ganz bewusst von einem Ausbildungsnachweis oder einer Ausbildungsbestätigung im Kreditkartenformat. Weil weder die PAL-Card der IPAF noch ein „suva-anerkannter Staplerausweis“ nach dem Schweizerischen Rechtsverständnis ein Ausweis ist. Es handelt sich dabei nicht um ein offizielles, amtliches Dokument, wie dies beispielsweise bei einem Führerausweis der Fall ist.
In diesem Beispiel ist die IPAF die Ausstellerin der Karte. Auf dieser Karte ist ersichtlich, wer, wann, welche Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hat. Zusätzlich findet man darauf den Grund für die allgemeine Verunsicherung – die Angabe „gültig bis“.
Mit dieser Karte kann lebenslänglich nachgewiesen werden, dass Hans Muster am 09.12.2019 die Ausbildung „Bediener von Hubarbeitsbühnen“ der IPAF für die Kategorie 3b erfolgreich abgeschlossen hat. Die PAL-Card ist also als Nachweisdokument unbegrenzt „gültig“. In diesem Sinne kann also eine Ausbildung nicht ablaufen.
Die IPAF hat sich als Fachorganisation für den sicheren Betrieb von Hubarbeitsbühnen mit den selben Fragen aus dem Abschnitt „angemessene Zeitabstände“ auseinandergesetzt. Unter Berücksichtigung der beiden Aspekte Gedächtnis und Stand der Technik hat die IPAF einen Zeitraum von fünf Jahren definiert.
Mit einer „gültigen“ PAL-Card ist also nicht nur sichergestellt, dass ein Bediener einfach irgendwann einmal eine Grundausbildung durchlaufen hat. Es kann zusätzlich nachgewiesen werden, dass der (Wiederholungs-)Kurs maximal fünf Jahre zurück liegt.
Ausser dem konkreten Zeitabstand wurde von dieser Fachorganisation zusätzlich klar definiert, wie ein Wiederholungskurs gestaltet sein muss. Dies führt uns zu der zweiten wichtigen Frage:
Wie im Beitrag Ausbildung vs. Instruktion beschrieben, sind die Anforderungen an eine Instruktion oder Ausbildung ebenso wenig klar definiert, wie die „angemessenen Zeitabstände“!
Dies kann einerseits negativ interpretiert werden. Denn je konkreter die Vorgaben sind, umso klarer weiss ich, was denn genau von mir als Arbeitgeber verlangt wird. Diese Vorgaben kann ich erfüllen und erlange dadurch Rechtssicherheit. Auf der anderen Seite kann diese Unsicherheit auch als Freiheit verstanden werden. Nur so kann der grossen Diversität und den speziellen Bedürfnissen unterschiedlichster Unternehmen in der Schweiz Rechnung getragen werden.
Fachorganisationen und Verbände erarbeiten Ausbildungskonzepte in verschiedenen Ausbildungsbereichen. In diesen Konzepten werden neben der Dauer und den Inhalten eben auch Wiederholungskurse und allfällige Zeitabstände definiert. Die Umsetzung eines solchen Ausbildungskonzepts führt zu einer Art Qualitätssicherung und macht für Aussenstehende einfacher nachvollziehbar, was da genau gemacht wurde. So etabliert sich dann eine Art Marke wie bspw. „IPAF“ im Markt.
Neben den bereits beschriebenen Vorteilen von etablierten Kurskonzepten, bestehen aber auch Nachteile. Die Vorgaben einer Organisation sind unflexibel (weil für alle gleich) und können unnötig einschränken. So kann es sein, dass beispielsweise ein Mitarbeiter alle 3 Jahre schön brav den vorgeschriebenen Standardwiederholungskurs besucht, um einen „gültigen“ Nachweis zu bekommen. Alle 3 Jahre werden die Inhalte aus dem ursprünglichen Grundkurs wiederholt. Dabei werden weder sein aktueller Wissensstand, noch die Voraussetzungen in seinem Arbeitsalltag berücksichtig. Der persönliche Nutzen für die Teilnehmenden kann sehr gering sein. Das ist frustrierend und ineffizient.
Der treue Arbeitgeber entscheidet sich nicht nur für die erste Ausbildung seiner Mitarbeitenden nach einem Kurskonzept einer Organisation, sondern auch für die strikte Umsetzung der Widerholungspflicht. Er meldet seine Mitarbeitenden fristgerecht vor Ablauf der Ausbildung für einen Wiederholungskurs an. Die Anmeldung ist unkompliziert und die Inhalte des Wiederholungskurses sind vordefiniert. Somit stellt er sicher, dass seine Mitarbeitenden mit einem „gültigen“ Ausbildungsnachweis nicht nur beweisen, dass sie irgendwann einmal eine Ausbildung absolviert haben, sondern sie können auch nachweisen, dass ihr Wissen aktuell/nicht älter als X Jahre ist.
Der engagierte Individualist beschäftigt sich eingehend mit den Voraussetzungen in seiner Firma und mit den Bedürfnissen seiner Mitarbeitenden. Aufgrund dieser Analyse definiert er individuell, wie er für die Auffrischung und Aktualisierung des erworbenen Wissens seiner Arbeitnehmenden sorgen möchte. Dies muss auch nicht gezwungenermassen in einem standardisierten eintägigen Kurs passieren. Der engagierte Arbeitgeber wendet sich mit den Bedürfnissen seiner Mitarbeitenden und seinen Wünschen an seinen Partner für Ausbildung. In Zusammenarbeit werden effiziente Lösungen gefunden, die sinnvoll sind und von den Mitrabeitenden geschätzt werden.
Unternehmen buchen komplette Kurse mit sechs Teilnehmern. Für diese Kurse werden spezifische Inhalte aufbereitet. Behandelt wird, was für die Teilnehmenden relevant ist. Es kann auf spezifische Problemstellungen eingegangen werden und der firmeninterne Austausch wird aktiv gefördert.
Viele Unternehmen pflegen selbst ein Angebot an Weiterbildungsmöglichkeiten oder sie führen beispielsweise einen jährlichen Sicherheitstag durch. Wir unterstützen unsere Kunden bei der Planung und der Durchführung von solchen Veranstaltungen. Wir gestalten für sie Arbeitsposten zu einzelnen Themen oder stehen ihnen mit Fachreferenten zur Seite.
Anstatt die Mitarbeitenden alle 3-5 Jahre in verschiedenste Wiederholungskurse zu schicken, werden in regelmässigen Abständen Sicherheitsparcours organisiert. Die Mitarbeitenden teilen sich in kleine Gruppen auf und besuchen bei einem Parcours Posten zu verschiedensten Themen. In nur 20-40 Minuten pro Posten wird das Wissen der Teilnehmenden aktiviert und aktualisiert. Diese Art der Wissensvermittlung macht nicht nur aus pädagogischer Sicht Sinn, sondern macht auch Spass.
Wie gross ist ein „angemessener Zeitabstand“ für die Wiederholung von Instruktionen?
Instruktionen erfolgen maschinenspezifisch, ortsspezifisch und/oder aufgabenspezifisch. Daher sollte die Frage eher lauten: „Wann sollte eine Instruktion wiederholt werden?“
Sie sollte wiederholt werden, wenn sich etwas an den drei Faktoren Maschine, Ort oder Aufgabe ändert. Weiter sollte beachtet werden, dass bei längere Absenzen zum Beispiel durch Unfall/Krankheit eine Wiederholung der Instruktion erforderlich sein könnte.
Besonders wichtig ist, dass ein Arbeitgeber seiner Aufsichtspflicht gerecht wird. Solange die Mitarbeiter die Anweisungen des Arbeitgebers und das erworbene Wissen aus der Instruktion richtig anwenden, ist alles in bester Ordnung. Hinweise auf das Gegenteil sollten erkannt und ernst genommen werden.
Wie gross ist ein „angemessener Zeitabstand“ für die Wiederholung von Ausbildungen?
Sowohl die Erkenntnisse aus der Forschung, wie auch unsere Praxiserfahrung zeigen, dass nach einem Zeitraum von 3-5 Jahren ein Teil des Wissens aus Ausbildungen verloren geht. Dieser Zeitraum hat sich auch in verschiedenen Branchen und Ausbildungsbereichen etabliert.
Ob sich ein Arbeitgeber für einen Zeitraum von 4 Jahren oder 5 Jahren entscheidet, ist letzlich irrelevant. Ausschlaggebend ist, warum er sich für diesen Zeitraum entscheidet. Abschliessend muss erwähnt werden, dass auch die Definition von einem Zeitintervall für die Wiederholung von Instruktionen und Ausbildungen einen Arbeitgeber nicht von seiner Aufsichtspflicht entbinden.